Biber Records

Animato

In den frühen 1980er Jahren lief »World Music« in deutschen Landen noch unter dem wenig verheißungs-vollen Schlagwort »außereuropäische Musik«. Das war, bevor dieser Bereich zum vermeintlichen Hoffnungsträger für die an Ideen mangelnde westliche Popmusik avancierte. Die drei Berliner Musiker, die erst Jahre später die Gruppe ANIMATO gründeten, scherten sich freilich wenig um derlei ideologische Haarspaltereien. Denn sie fühlten sich von den faszinierenden fremden Klängen der sogenannten Weltmusik schon in den Bann geschlagen.

Damals gingen sie noch eigene Wege: Bernhard Kegel beim Acoustic Guitar Orchestra, Sebastian Hilken im B.I.C.E. (Berlin Improvising Composer's Ensemble) und als Komponist von Theater- und Filmmusiken, Mila Morgenstern mit dem Jazzmusiker Bob Downes.

Während gemeinsamer Konzertbesuche (z.B. bei Hariprasad Chaurasia, dem großen indischen Flötisten, oder dem pakistanischen Sufi-Sänger Nusrat Fateh Ali Khan) entdeckten sie in den folgenden Jahren ihr neues gemeinsames musikalisches Interesse neben der europäischen Klassik und dem angloamerikanischen Jazz. Fasziniert von den hypnotischen Rhythmen und den fremden traumhaften Klängen, begannen sie Pläne zu schmieden und neue Instrumente zu entdecken. Sebastian, der Cellist, lernte in Benares (Indien) die Sarod zu spielen; Mila studierte klassische indische Musik bei Kamalesh Maitra und lernte das Spiel der Bambusflöte; Bernhard, der seine Ausbildung der klassischen Gitarre längst abgeschlossen hatte, studierte die Sitar bei Ustad Imrath Khan.

Bernhard Kegel erinnert sich an die Aufbruchsstimmung jener Tage. »Wir spielten dann von 1982 bis 1989 im Raga Tala Ensemble des in Berlin lebenden indischen Komponisten und Tabla (Tarang)- Meisters Kamalesh Maitra, einer mit indischen und europäischen Instrumenten besetzten Gruppe, die den Verbindungen zwischen europäischer E-Musik und indischer Klassik nachspürte. Damit war schon eine wichtige Grundlage für das gemeinsame Projekt ANIMATO gelegt, und in unseren eigenen Bandprojekten feilten wir weiter an einer persönlichen musikalischen Sprache.«

Das Raga Tala Ensemble wurde somit zur Keimzelle für ANIMATO. An einem Nachmittag im Juli 1990 schließlich trafen sich die drei Musiker, um Ideen auszutauschen und gemeinsam zu musizieren. Detailgenau berichtet Bernhard Kegel, der übrigens auch als Romanautor tätig ist, über dieses Treffen: » ›Hör mal!‹ sagte Mila und wiegte seinen Kopf in indischer Manier — er beherrscht das perfekt. Mila sagt häufig: ›Hör mal‹, das hat nicht viel zu bedeuten, aber dieses Mal hieß es wirklich: ›Ohren auf! Hör zu!‹ Er hob die Flöte. Sebastian setzte den Bogen an und begann mit den langen, tiefen, sehnsüchtigen Tönen der Einleitung. Manchmal frage ich mich, aus welchen Tiefen seiner Seele er diese Töne hervorzaubert. Vorsichtig lehnte ich die Gitarre an die Wand und lauschte. Sie spielten ›Saudades‹, und ich war Feuer und Flamme. Ja, was für eine Frage, natürlich wollte ich da mitspielen. Ich liebte diese Musik.«

Damit war ANIMATO geboren — der Name kommt von »anima« und heißt »beseelt«. Drei Jahre später hatte sich aus Sebastian Hilkens Ideen Schritt für Schritt die gemeinsame Musik von ANIMATO entwickelt: eine ganz eigenständige Synthese aus ernster Musik (E-Musik) mit einem Schuß Salon-Musik und Jazz, verwoben mit folkloristischen Elementen aus der unermeßlichen Vielfalt der Musikkulturen der Welt.

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